So willst du aus dem Haus gehen?

Veröffentlicht am 9. Juni 2013



Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Das Partyvolk auf dieser Seite haben wir nicht extra bestellt, damit die Bilder möglichst schräg aussehen. Nein, in den Berliner Sommerclubs sehen die Leute wirklich so aus – und schaffen es vorbei an den Türstehern. Die sind auch in den Etablissements mit Außenbereichen nicht zu unterschätzen. Ein paar Modetipps zur Eröffnung der Open-Air-Saison.

Überall zu sehen und deshalb fast schon eine Uniform: In Kreuzberg gehört unter die abgewetzte Jeans-Shorts eine schwarze Strumpfhose, die mindestens genauso zerrissen ist. Den Strauß Luftballons hat Emily Petzoldt übrigens für ein Hoffest dabei. Sie will wohl – ein Revival? – zu 99 Luftballons tanzen. (Titelbild)

Man könnte meinen, er käme direkt vom Laufsteg: Louis Tatschke trifft modisch ins Schwarze. Mit seiner schmalen Silhouette, den toupierten Haaren, dazu Leder und Nieten am linken Handgelenk, könnte der Zehntklässler für Saint Laurent posieren. Auf seiner Jutetasche ist das Emblem des „Wu-Tang Clans“ aufgedruckt, seiner Lieblingsband. Er hört gerne Hip-Hop und bezeichnet seinen Stil als „niemals schick, immer ein bisschen abgewrackt“. Am ersten Mai in Kreuzberg träumt er davon, später Model zu werden. Fehlt nur noch die Agentur.

In Eigenregie: Haarschmuck ist ein zentrales Thema, wenn es um Clubmode geht. Am besten ist er schön groß und auffällig. Ihre schwarze Minnie-Maus-Schleife hat die Soziologiestudentin Heike Bauer selbst entworfen, obwohl ihr modisches Vorbild eigentlich Pippi Langstrumpf ist. Das Foto zeigt sie auf dem Weg in die Kreuzberger Bar Luzia, wo sie den Abschluss ihrer Bachelorarbeit über den Einfluss von Georg Simmels Modetheorie auf Street-Style-Blogs feiern wird.

Die Accessoire-Alternative: Auch Inken Büngener sitzt in Gedanken noch halb im Hörsaal. Beim Konzert der „Trümmertanten“ versucht sie sich von den Strapazen ihres Psychologiestudiums zu erholen. Für sie scheint zu gelten: Wer ganz abschalten will, muss sich auf etwas anderes konzentrieren. Wie wäre es also mit dem Schwenken eines Hula-Hoop-Reifens? Den hat Inken unter’m Arm klemmen, und als Accessoire passt er wunderbar zum Batik-Pullover, der von der Pariser Designerin Isabel Marant stammen könnte. Davon abgesehen, ist der Reifen für die Stimmung vor Ort wie gemacht: Nach ein paar Drinks dreht sich ohnehin alles!

Going to San Francisco? Nicht ganz. Eva Kaczor bleibt in Berlin, zumindest im Sommer. Ihr Stirnband stammt hingegen aus Tulum in Mexiko. Dorthin weicht aus, wer auch in der Wintersaison draußen feiern möchte – und reist ab, wenn hierzulande das Wetter schön wird. Denn beim Tanzen an der Spree genießt die Gründerin der Website „Art Berlin“ das Gefühl, „absolut frei zu sein“.

Bloß nicht streng: Wo draußen gefeiert wird, sind Hippies nicht weit. Mit langem Haar und Bindi-Zeichen auf der Stirn hätte die Vintage-Händlerin Nadine Lohof gut nach Woodstock gepasst. Ihr Begleiter, der Musiker Christoph Sowa, zitiert mit Bart und Zopf ebenfalls die Ära der Blumenkinder. Trotzdem, wir sind im Jahr 2013: Nur der Mann auf dem T-Shirt raucht!

Vor allem unnahbar: Hinter den verspiegelten Gläsern seiner Ray-Ban, dazu noch mit Vollbart und Kapuzenparka, bleibt „Servullo“ (Künstlername) im Mörchenpark nahezu unerkannt. Oder will der Visagist und Hairstylist, der zwischen Paris, New York und Berlin pendelt, doch nur seine Augenringe verstecken?

Farbe im Haar: Knalliges auf dem Kopf? Die französische Hutdesignerin Emily Amadi weiß genau, was sie tut. Ihre Frisur nennt sie „très Chanel“ – so gesehen in einer der jüngeren Couture-Schauen der Luxusmarke. Den Punk-Stil brachte Vivienne Westwood vor Jahrzehnten in die Modewelt. Auf der Straße ist er immer noch am schönsten.

Florales geht immer: Und wieder Schmuck im Haar, dieses Mal Blumen. Nur auf den ersten Blick wirkt die Plastikblüte, die hier den geflochtenen Zopf von Leyli Timner zusammenhält, etwas brav. Eigentlich sieht die Lage nämlich so aus: Die Zehntklässlerin war am Vorabend auf der Party „Fuck me now, love me later“ in der Arena am Badeschiff. Die Liebe hat offenbar gesiegt. Ihre rote Rose krönt am nächsten Tag den aktuellen Haartrend zum locker geflochtenen und seitlich gesetzten Zopf. Der lose Dutt auf dem Kopf – über Jahre so angesagt wie kaum eine andere Frisur – verliert gegenüber dem Zopf allmählich an Einfluss.

Freiheit für den Bauch: Mit Jeans ist das so eine Sache – jede Mädchengeneration will ihre eigene Passform. Der aktuelle Trend: high waist. Gemeint sind Hosen, die halb den Bauchnabel verstecken. Außerdem angesagt sind slim legs, also knallenge Röhren. Mit dem Hosenbund rutschen auch die Tops nach oben: Sie sind jetzt bauchfrei. Sam Abraham liefert vor dem Club der Visionäre die perfekte Nabelschau und fühlt sich doch nicht ganz wohl bei dem Gedanken, zu Elektroklängen von Ricardo Villalobos zu tanzen. Lieber hört sie Schlager von Andrea Berg und Wolfgang Petri.

Bedroom dressing: Karneval in Berlin? Wohl kaum! Der türkisfarbene Nicki-Bademantel von Steffi, Musikerin der Band „Trümmertanten“, wirkt wie eine Hommage an die aktuelle Boudoir-Mode aus dem Hause Louis Vuitton. Dessen Kreativchef Marc Jacobs trat nach der Modenschau im März im Pyjama auf den Laufsteg. Kein Wunder also, dass andere sein gemütliches bedroom dressing übernehmen. Die Party im Club dauert für manche von Donnerstag bis einschließlich Sonntag. Ein paar Schlafsachen gehören ins Gepäck!

 

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Kontakt

Kerstin Susanne König
Berlin
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