Bienenkörbe von Chanel
Veröffentlicht am 23. Dezember 2007
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Karl Lagerfeld adelt Amy Winehouse, indem er ihre Frisur in Szene setzt.
Die Modewelt hangelt sich von einem Revival zum nächsten: Bei der Präsentation der „Chanel-Métiers d’Art-Kollektion“ Anfang Dezember in London wartete Karl Lagerfeld gleich mit doppeltem Retro-Trend auf: Einerseits zeigte er großen Schmuck zu langen schwarzen Kleidern – eine Kombination, von der die einflussreiche Modekritikerin Suzy Menkes so begeistert war, dass sie sich in der „Herald Tribune“ zu dem übertriebenen Urteil „wilder Rocker-Look“ hinreißen ließ. Andererseits blickte er auf die Jahre vor ’68 zurück und verhalf der klassischen „Bienenkorb-Frisur“ zu einem unerwarteten Comeback: Mit ihren voluminösen Hochsteckfrisuren erinnerten die blonden Models an Brigitte Bardot und die dunkelhaarigen an Farah Diba.
Aber auch der Name einer Diva des Jahres 2007 machte die Runde: Amy Winehouse war zwar selbst nicht erschienen, aber dafür wurde ihre turmartige Frisur von etwa gleichaltrigen Models mit großer Würde über den Laufsteg getragen: „Ich mag diesen großen Haarknoten, wie Amy Winehouse ihn trägt“, äußerte Lagerfeld nach der Schau und schloss gleich noch ein weiteres Lob an, als handele es sich bei dem hairdo in Wahrheit um eine Krone, die der britischen Soulsängerin endlich aufgesetzt werden müsse: Sie sei eine „begnadete Künstlerin und Stil-Ikone“, ließ er verlauten, „die neue Brigitte Bardot“.
Die Modewelt staunte: Ausgerechnet Amy Winehouse, die auch mal in zerrissenen Jeans und oft im Vollrausch durch ihr Leben irrt, sollte dem Couturier der feinen Pariser Damenwelt im Geiste Modell gestanden haben? Schon sammelten sich im Internet die kritischen Stimmen: Da ist dann die Rede vom „Heroin Chic“ und von Lagerfelds „falschen Schönheitsidealen“ – interessante Einwände, die jedoch am Humor des Designers vorbeigehen: „Karl und ich wollten vor allen Dingen Spaß haben“, sagt Odile Gilbert, die bei der Schau die Frisuren der Models kreiert hat. Nicht die Nachahmung, sondern vielmehr „eine Art Dekonstruktion des klassischen Bienenkorbs“ sei ihr Thema gewesen. Deshalb habe sie die Haare der Models auch nicht allzu fest am Kopf fixiert, sondern einzelne Strähnen hier und da locker herausfallen lassen. Die Annäherung an die Diven Bardot und Winehouse erfolgt aus ihrer Sicht also nicht ohne ein Moment der ironischen Distanzierung, und auch Lagerfeld selbst spricht vom „doppelten Augenzwinkern“ der gezeigten Kollektion und Frisuren. Mit Schlagworten der Sorte „Heroin Chic“ kann er ohnehin nichts anfangen, klischeehafte Begriffe interessieren ihn nicht. Vielmehr geht es ihm um das offene Spiel mit modischen Zitaten, die er kunstvoll nebeneinander drapiert. In dieser Anordnung können die Goldknöpfe an den Kleidern und die Glitzersteinchen in den Haaren der Models als humorvolle Anspielungen auf Coco Chanels Schwäche für Gold und Glamour interpretiert werden. Zugleich scheinen sie aber auch die Frisur von Amy Winehouse zu veredeln. So finden Vergangenheit und Gegenwart zueinander. Dass Mode nur dann wirklich „modern“ sei, wenn sie eine Verbindung zwischen dem „Ewigen“ und dem „Flüchtigen“ schaffe, wusste schon Charles Baudelaire. Karl Lagerfeld hat diese These seines berühmten Dandy-Vorfahren einmal mehr auf eindrucksvolle Weise in die Tat umgesetzt – und mit dem „Bienenkorb“ außerdem einen originellen Vorschlag für eine Festtagsfrisur geliefert.
Falls das Weihnachtsgeld also wieder mal nicht für ein Chanel-Kostüm ausgereicht haben sollte: Der dazugehörige XL-Dutt kostet nichts und lässt sich mit nur wenigen Handgriffen nachbauen: Einfach das Haar über den Kopf kämmen und von den Spitzen her antoupieren, damit es sich anschließend besser formen lässt. Den Oberkörper dann wieder aufrichten und in die Mitte des Haares ein kleines Kissen legen, an dem die Strähnen rundherum befestigt werden. Doch Vorsicht: Einige „Herrenwinker“ sollten lässig herausfallen: „Der Knoten sieht nur dann gut aus, wenn er schlecht gemacht ist“, erläutert Odile Gilbert. Mode kann eben manchmal ganz schön paradox sein.