MODELS MACHEN MAGAZINE
Veröffentlicht am 7. Dezember 2013
F.A.Z.-Magazin
Die Launen des Supermodels Naomi Campbell sind legendär: Mal verdrischt sie einen Angestellten, mal wirft sie mit ihrem Handy um sich. Nach mehreren Therapien will sie ihre Wutausbrüche nun aber in den Griff bekommen haben. Das birgt beruflich ganz neue Möglichkeiten, so dass sie auch journalistisch aktiv ist. Für die deutschsprachige Ausgabe des „Interview“-Magazins führt sie Gespräche mit Weggefährten aus dem Showbusiness, die sie allesamt mit Samthandschuhen anfasst. Also keine Schimpfeskapaden, sondern nur Nettigkeiten, Small-Talk, im Stil: Wir jubeln uns zu, fertig ist das Interview! Andy Warhol, der die Zeitschrift „Interview“ 1969 in New York gründete, hätte diese Orientierung an der Oberfläche sicherlich sehr gut gefallen. Einst malte er „Campbell“-Suppendosen; nun schickt Naomi die Campbell’sche Sprachsuppe hinterher!
Dass aus Models auch mal Fernsehmoderatorinnen werden, weiß jedes „Germany’s Next Topmodel“. Kaum einer ahnt jedoch, dass sie auch Magazine gründen. Christina Kruse, seit zwei Jahrzehnten immer wieder in der „Vogue“ zu sehen, entwickelt derzeit in New York – zusammen mit Karl Templer („Interview“) – ein neuartiges Automagazin. Ein schöner Wagen, so der Gedanke, hat das Zeug zum Top-Modell, wenn er von Starfotografen wie Nick Knight oder Steven Meisel ins rechte Licht gerückt wird. „ADAC Motorwelt“ und „Auto Bild“ dürfen sich auf einiges gefasst machen: Mit reichlich „Miles per Hour“ (so der Arbeitstitel des Projekts) wird sie schon bald eine geballte Ladung Glamour überrollen. Andere Models sind längst Chefredakteure: Götz Offergeld war früher Mannequin und arbeitet heute für den „Madame“- Verlag, während er zugleich seine eigene Zeitschrift „Fräulein“ herausgibt. Jahrelang nur Runden auf dem Laufsteg zu drehen ist auch dem polnischen Model Anja Rubik zu öde. Verärgert über das „sexistische Frauenbild“ in der Werbung, gibt sie das Magazin „25″ heraus – darin viele (Halb-)Nacktaufnahmen von Frauen, die sie nach eigenen Aussagen „sinnlich“ fotografieren lässt. Das gelingt zwar nicht immer; da wird auch mal ein rosafarbener Frauenpopo im Großformat gezeigt. Aber die Idee, das Modelbusiness der Frauenbewegung annähern zu wollen, noch dazu mit solchen Bildern, ist immerhin originell.
Mit ihren Selfmade-Magazinen folgen die Models dem Zeitgeist. Schon in den neunziger Jahren wurde mit Publikationen wie „The Face“, „i-D“ oder „Dazed & Confused“ das alternative Modemagazin populär, das unabhängig von großen Verlagshäusern seine eigene Ästhetik entwickelt. Inzwischen gibt es immer mehr von ihnen: „Achtung“, „Le dernier cri“, „Pop“, „Self Service“, „Tush“, „Zoo“ oder auch, mit schöner Ironie, „Another Magazine“ – also noch ein Magazin. Produziert werden die Hefte von kleinen Redaktionen, die dafür umso mehr freie Mitarbeiter haben. Manche der Magazine sind in Modekreisen angesagter als klassische Publikationen wie „Elle“ oder „Harper’s Bazaar“. Beispielsweise „Love“ von der englischen Stylistin Katie Grand oder „Purple“ von Olivier Zahm, ebenfalls ursprünglich Stylist, aus Paris. Andere Hefte stehen ständig auf der Kippe. Sie erscheinen oft nur dann, wenn nach der mühsamen Akquise von Anzeigenkunden eine weitere Ausgabe finanziert werden kann.
Solche Schwierigkeiten sind für die Französin Carine Roitfeld undenkbar. Sie gibt das „CR Fashion Book“ heraus, mit Fotostrecken etwa von Karl Lagerfeld, Jean-Baptiste Mondino, Bruce Weber oder Patrick Demarchelier. In der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen (wer gibt schon 28 Euro für ein Modemagazin aus?), genießt es in der Modeszene großes Ansehen, obwohl – oder vielleicht gerade: weil – es fast ohne Texte auskommt. Die aktuelle Ausgabe steht unter dem Motto „hope“, passend zu den mehr als 100 Anzeigenseiten im Heft. Ein schöner Erfolg für die ehemalige Chefin der französischen „Vogue“, die – natürlich – ganz zu Beginn ihrer Karriere, und so schließt sich hier der Kreis, als Model gearbeitet hat.