Henry Holland Drive

Veröffentlicht am 13. Januar 2008



Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

„Do me daily, Christopher Bailey“: Ein englischer Designer macht mit T-Shirt-Sprüchen von sich reden, die auf Persönlichkeiten aus der Mode-Szene anspielen.

 

Das „House of Windsor“ hat Konkurrenz bekommen: Neuerdings regiert in London das „House of Holland“. Auch dieses Haus ist ziemlich verschlossen, und die Bewohner sind nicht gerade gesprächig. Aber nicht aus Prinzip, sondern weil man sich vor Anfragen aus aller Welt nicht retten kann. Der Erfolg des Chefs kam einfach zu plötzlich: Henry Holland, im vergangenen Winter noch ein Niemand in der Modeszene, ist im Jahr 2007 zum neuen König der T-Shirt-Designer gekrönt worden.

Vor einem Jahr arbeitete er noch als Moderedakteur beim englischen Teenie-Magazin „Bliss“, im Februar präsentierte er dann bei der Londoner Modewoche seine T-Shirts. Der Witz daran sind aufgedruckte Slogans, die mit den Namen bekannter Designer und Models spielen. Anna Wintour, die Chefin der amerikanischen „Vogue“, erkannte sogleich das Potential des Vierundzwanzigjährigen und  bestellte ihn zu sich. Bald waren seine Entwürfe in allen wichtigen Modezeitschriften zu sehen, und Edelkaufhäuser wie „Barneys“ und „Harvey Nichols“ richteten ihm eigene kleine Verkaufsareale ein. Seine Muse und beste Freundin, das Model Agyness Deyn, machte seine Kreationen auch backstage bekannt. Ihr Aufstieg zum Topmodel und seine Karriere sind eng miteinander verwoben. Zusammen wurden sie von Steven Meisel fotografiert, der dafür bekannt ist, dass er neue Gesichter entdeckt. Tatsächlich wuchs das Interesse an den beiden immer weiter, bis zuletzt rund dreihundert T-Shirts am Tag allein im Internet bestellt wurden. Inzwischen richten sich Hollands Haare wie seine Karriere aus: Er trägt sie – im Stil des jungen Billy Idol – steil nach oben gegelt.

„Ich liebe Farben“, sagt er. Außerdem liebt er schrille Outfits, trägt gelbe Jeans zu bunten Sneakers und genießt die Blicke der Menge. Besonders ins Auge springen die aberwitzigen Reime auf seinen T-Shirts: „I will show you who is boss, Kate Moss“. Oder:  „Wham, Bam, Thank you, Stam“. Oder: „Cause me pain, Hedi Slimane“. Die Sprüche spielen mit dem „Who is Who“ der Modeszene. Zu Kate Moss muss man nichts sagen. Der zweite Slogan gilt Jessica Stam, derzeit als Model in den Kampagnen von Lanvin und Marni zu sehen: „Danke schön, Stam“. Der dritte Spruch ist schwieriger zu entschlüsseln: „Verursache mir Schmerzen, Hedi Slimane“? Slimane, der bis zum Frühjahr 2007 die Männerkollektionen im Hause Dior verantwortete, machte extrem schmal geschnittene Anzüge populär. Ihre eng anliegende Form könnte der Grund für die angesprochene Pein sein. Agyness Deyn zeigte sich eine Zeitlang mit dem gereimten Schriftzug: „My flies are undone, Lily Donaldson“. Dass ihr Hosenstall offensteht, soll wohl eine Warnung mit eingebautem „gender-crossing“ sein: Das Model Lily Donaldson sollte sich vor Deyns Potential in Acht nehmen. Andere Aufschriften sind so delikat, dass man sie gar nicht übersetzen kann. In die Richtung gehen jedenfalls die unmoralischen Angebote an den Chefdesigner im Hause Burberry („Do me daily, Christopher Bailey“) und an das Supermodel Linda Evangelista („Let’s play naked twister, Linda Evangelista“). Gemeinsam ist den Aufdrucken ihr Nonsens-Charakter. Mit ironischem Augenzwinkern will Holland eine Grenze ziehen zwischen Mode-Insidern, die sich am liebsten selbst feiern, und dem Rest der Welt. Fehlt eigentlich nur noch das Shirt „Du bist so trendy, King Henry“.

Denn seine T-Shirts treffen den Nerv der Zeit: Klatsch und Tratsch werden immer wichtiger. Ein Star zu sein zählt mehr denn je. Das „House of Holland“ liefert die passenden Oberteile zu diesem gesellschaftlichen Phänomen. Wer mit seiner Kleidung eine SMS-ähnliche Botschaft an Hedi Slimane oder Christopher Bailey aussendet, gibt vor, einen heißen Draht zu den prominenten Adressaten zu haben. „Fake it until you make it“, lautet das dazugehörige Lebensmotto: „Mehr Schein als Sein“. Als kleinen Seitenhieb auf die Mediengesellschaft könnte man auch diese Worte auf ein T-Shirt drucken, allerdings auf die Gefahr hin, damit alt auszusehen. Solche halb ironisch und halb gesellschaftskritisch gemeinten Slogans sind nämlich längst passé. In den neunziger Jahren sorgte das Hamburger Label „Mägde und Knechte“ mit T-Shirt-Sprüchen wie „Arbeit macht Arbeit“ oder „Teilzeitnomade“ für Aufsehen: Der Geist des Neoliberalismus’ sei eben nur mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu ertragen. Als die New Economy dann ins Straucheln geriet und die Börsenblase platzte, wurde das Top mit der Aufschrift „Schön und pleite“ von der Realität eingeholt, und der Spaß hatte ein Ende.

T-Shirts sind schon seit den sechziger Jahren ein beliebtes Ausdrucksmittel. Sie geben jungen Menschen einen Ort, an dem sie sich zu Popbands und Markenprodukten bekennen, an dem sie Position beziehen können. Ulrike Link von der Universität Dortmund, die zur Geschichte der T-Shirt-Sprüche geforscht hat, weist auf die „identitätstiftende Wirkung“ der Shirts hin. Traditionell werden auch politische Themen großgeschrieben. In diesem Bereich besonders erfolgreich ist derzeit die italienische Firma „De Puta Madre“. Der kolumbianische Designer Ilan Fernández, ein ehemaliger Rauschgiftdealer, erhebt mit seinen T-Shirts das Wort gegen Kindesmissbrauch („Nie mehr Pädophilie“), Kriminalität und Drogen. Bilder von Ecstasy-Pillen werden hier mit dem Hinweis „Billig-Paradies“ verbunden, so wie unter der Skizze eines Revolvers die Mahnung „Kranke Phantasie“ zu lesen ist. Der belehrende Tonfall der Kollektion wirkt allerdings reichlich überholt. Er erinnert an die achtziger Jahre und an Slogans wie „Atomkraft? Nein danke“ oder „Rettet den Regenwald“. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung, als die Designerin Katharine Hamnett der damaligen englischen Premierministerin Margret Thatcher einen Besuch in einem T-Shirt abstattete, auf dem zu lesen war: „58 % don’t want Pershing“. Auch dem Wunsch, Entwicklungsländern die Schulden zu erlassen, verlieh sie mit einem T-Shirt Ausdruck. Ja, sie wollte die Welt verbessern.

Henry Holland verfolgt andere Ziele: Er liefert Knallfarben, Namen und Witze für die nächste Party. So ändern sich die Zeiten. Und, wer weiß: Vielleicht wird bei der Berliner Modewoche Ende Januar irgendein junger deutscher Designer Models mit geschwätzigen Shirts der Sorte „Heute ein Held, Karl Lagerfeld“, „Gar nicht dumm, Heidi Klum“ oder „Immer noch wunderbar, Claudia“ über den Laufsteg schicken. Dies nur als kleine Geschäftsidee für alle, die in diesem Jahr groß herauskommen wollen. Man muss die Modeszene dort packen, wo sie am glücklichsten ist: bei sich selbst.

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Kontakt

Kerstin Susanne König
Berlin
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