Patrick Grant im Interview

Veröffentlicht am 19. Oktober 2013



F.A.Z. -Magazin

Der englische Designer Patrick Grant im Interview.

Herr Grant, Sie sind heute aus der Londoner Savile Row an den Kurfürstendamm gereist. Modisch gesehen ein starker Kontrast. Wie gefällt Ihnen der Berliner Stil?Da muss ich leider passen. Ich war zuletzt vor zehn Jahren hier und bin gerade erst angekommen. Aber man hört viel über das pulsierende Leben und die Modeszene in Berlin.

Sie haben vor acht Jahren die Herrenmaßschneiderei „Norton&Sons“ erworben. Das Unternehmen steckte damals in einer Krise. Wie haben Sie es wieder auf Kurs gebracht?

Mit einem einfachen Prinzip: weitermachen! Aber erstmal musste ich den Laden überhaupt kaufen. Ich las in der Zeitung, dass er zu haben sei. Daraufhin verkaufte ich mein Haus, mein Auto und lieh mir Geld von Freunden. Die ersten Jahre waren nicht leicht, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Jetzt machen wir an die 300 Anzüge pro Jahr. Für einen Maßschneider ist das viel.

 

Und was kostet so ein gutes Stück?

Die Preise für Zweiteiler beginnen bei 4500 bis 5000 Euro. Kein Schnäppchen, ich weiß, aber sie halten lange.

 

Sie haben eine kleine Kollektion für die Firma Barbour entworfen. Hat Prinz Charles sich schon bei Ihnen gemeldet?

Selbst wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen. Aber Ihre Assoziation finde ich interessant. Kaum einer weiß noch, dass Barbour ursprünglich Arbeiterkleidung hergestellt hat. Die ersten Kunden waren Fischer, Seeleute, Bergarbeiter. Das heutige Image ist erst in den achtziger Jahren entstanden, als die dunkelgrüne Wachsjacke modern wurde. Mein Vater trug damals auch so ein Modell. Mir fiel schon als Kind auf, dass es mit den Jahren immer besser aussah. Daran knüpfen meine Entwürfe an: Ich habe robuste Stoffe verarbeitet, die im Laufe der Zeit weicher werden.

 

Erlebt die Maßschneiderei zur Zeit eine Renaissance?

Von Wiedergeburt zu sprechen würde bedeuten, dass es zuvor einen Bruch gab. Der Witz an der Savile Row ist aber gerade ihre Beständigkeit. Hier wurden schon die Uniformen von Lord Nelson und Napoleon III. hergestellt.

 

Wie groß ist der Abstand zwischen Maßschneidern und Modedesignern?

In meinem Fall nur gering. Meine Freundin Katie Hillier ist Kreativchefin von „Marc By Marc Jacobs“ – wie soll ich der Mode da entkommen? Ich bewege mich gern in diesen Kreisen. Schuhdesigner Christian Louboutin ist einer meiner besten Kunden. Außerdem habe ich – nach Kooperationen mit Christopher Kane, Kim Jones, „Rag&Bone“ und „The Kooples“ – vor vier Jahren meine eigene Laufsteg-Kollektion auf den Markt gebracht. Das ist ein Novum in der Geschichte der Savile Row: ein Maßschneider mit Stangenware. Fast paradox, oder?

 

Gelten Sie bei Ihren Kollegen jetzt als Revoluzzer?

Die Stimmung in der Nachbarschaft ist weiterhin gut. Wir stehen ja auch kaum in Konkurrenz zueinander. Jeder Maßschneider hat seine Stammkunden, die ihm oft ihr ganzes Leben lang treu bleiben. Zu mir kommen eher jüngere. Ich hoffe, dass sie auch in 30 Jahren noch kommen werden.

 

Sind Sie Traditionalist oder Vordenker?

Als Kreativchef muss ich beide Perspektiven einnehmen. Hinter meinem Modelabel „E.Tautz“ steckt ein uralter Handwerksbetrieb, in dem früher Uniformen gefertigt wurden. Das sieht man noch in der aktuellen Kollektion. Gleichzeitig muss ich nach vorn schauen.

 

Vor drei Jahren wurden Sie zum „British Designer of the Year“ gewählt. Hat Sie das überrascht?

Weil ich niemals Modedesign studiert habe? Ach, dafür habe ich andere sinnvolle Dinge getan, zum Beispiel in Oxford studiert und die Marke Burberry wissenschaftlich untersucht. Eine fruchtbare Zeit, was mir als Student gar nicht so bewusst war.

 

Interessieren Sie sich auch für den breiten modischen Trend?

Was soll man dazu schon sagen? Die „feinen Unterschiede“ lösen sich auf. Schauen Sie sich doch mal das Pressefoto eines G-20-Gipfels an. Alle westlichen Staatschefs tragen die gleichen dunkelblauen Anzüge – wie langweilig! Selbst in Modeblogs wird nichts als Konformität gepredigt: „So kleiden Sie sich wie Steve McQueen!“ Oder: „So werden in dieser Saison die Hemdsärmel hochgekrempelt!“ Wo bleibt da die eigene Persönlichkeit?

 

Ihr Name taucht regelmäßig in Best-dressed-Listen auf. Wie gelingt gutes Männerstyling?

Die Kleidung muss zum Charakter passen. Die Looks selbst sind zweitrangig. Einer meiner Kunden hat 60mal die gleiche Hose und 40 fast identische Jacken im Kleiderschrank. Dazu trägt er stets einen Seidenschal. Davon hat er sogar 200. Sein Look ist konsequent, so wie er selbst. Auch Boris Johnson, der Londoner Bürgermeister, ist ein gutes Beispiel. Die Haare fallen ihm in die Stirn, er trägt auch mal einen Regenmantel über seinem Anzug. Aber das passt zu seiner unkomplizierten Art. Mit anderen Worten: Seien Sie einfach nur Sie selbst!

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Kontakt

Kerstin Susanne König
Berlin
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